Aktuelle Forschung in Kürze

Ist die Situation vielleicht zu komplex? Hundebesuche in Pflegeheimen

 

 

Hintergrund

Hundebesuche sind in Europa in vielen Pflegeheimen zu einer beliebten Aktivität geworden. Neuere Übersichtsarbeiten weisen aber darauf hin, dass die Evidenzbasis für spezifische Effekte von Hundebesuchen in Pflegeheimen schwach und nicht schlüssig ist. Eine mögliche Erklärung für die unterschiedlichen Resultate könnte sein, dass nicht alle Bewohner*innen mit der Besuchssituation zurechtkommen. Die Bewohner*innen von Pflegeheimen sind ältere Menschen mit unterschiedlichen körperlichen und kognitiven Einschränkungen. In der Situation mit den Besuchshunden können neben dem Kontakt zum Tier auch weitere Aktivitäten, wie den Hund zu bürsten oder Leckerli zu verstecken, durchgeführt werden. Diese Aktivitäten könnten die Bewohner*innen dazu motivieren mit den anwesenden Personen zu interagieren und auf den Hund einzugehen. Die Einführung zusätzlicher Aktivitäten führt jedoch auch dazu, dass die Besuche für die Bewohner*innen anspruchsvoller werden. Dieser Anstieg der Besuchskomplexität könnte für kognitiv eingeschränkte Personen eine besondere Herausforderung darstellen.

Die Studie von Thodberg und Kolleg*innen untersuchte, wie sich das Hinzufügen einer Aktivität zu einem Hundebesuch auf die Interaktionen zwischen Hund und Bewohner*innen auswirkt. Weiter wollten sie wissen, wie sich die körperlichen oder kognitiven Einschränkungen der Bewohner*innen auf die Interaktion auswirken.

 

 

 

Methode

Insgesamt wurden 174 Pflegeheimbewohner*innen (Durchschnittsalter 86 Jahre) aus sieben dänischen Pflegeheimen in die Studie aufgenommen. Für alle Bewohner*innen waren zwei Besuche pro Woche über einen Zeitraum von sechs Wochen vorgesehen, d. h. insgesamt zwölf Besuche. Die Besuche dauerten jeweils zehn Minuten. Die zwölf Besuche waren alle entweder 1) Besuche mit Hund, ohne Aktivität, 2) Besuche mit Hund, mit Aktivität, oder 3) Besuche ohne Hund, mit Aktivität. Die Bewohner*innen, die Hundebesuche erhielten, trafen bei allen Besuchen denselben Hund. Es wurde die Häufigkeit und Dauer der verbalen und körperlichen Interaktionen der Bewohner*innen mit dem Hund und den anwesenden Personen erfasst. Bei der Analyse wurden drei Interventionsperioden unterschieden: Besuche 1-4, Besuche 5-8 und Besuche 9-12.

 

 

Resultate und Diskussion

Die Art des Besuchs sowie der Grad der kognitiven Beeinträchtigung der Bewohner*innen beeinflusste ihr Verhalten während der Besuche. Es wurde erwartet, dass die zusätzliche Aktivität die weniger stark beeinträchtigten Bewohner*innen zu mehr Interaktionen mit dem Hund motivieren könnte. Bei Integration einer Aktivität interagierten gering beeinträchtigte Bewohner*innen gleich viel oder mehr mit dem Hund. Zum Beispiel sprachen sie in der dritten Interventionsperiode mehr über den Hund, wenn eine Aktivität miteingebunden war. Im Gegensatz dazu führte das Hinzufügen einer Aktivität bei den Bewohner*innen mit einem hohen Beeinträchtigungsgrad zu einer geringeren Interaktion mit dem Hund im Vergleich zu Hundebesuchen ohne Aktivität. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse ergibt sich der Gesamteindruck, dass die zusätzliche Stimulation durch die wiederholte Einführung einer neuen Aktivität während der Hundebesuche die kognitiv gut funktionierenden Teilnehmer*innen zu mehr Interaktion anregte, während die schwer beeinträchtigten Bewohner*innen von dieser erhöhten Komplexität eher überfordert schienen.

Der physische Kontakt mit dem Hund unterschied sich in der dritten Interventionsperiode nicht nach Besuchstyp und Beeinträchtigungsgrad. Dies könnte bedeuten, dass das Engagement bei den Besuchen auch mit der Vertrautheit mit dem Besuchskonzept, dem Hund und den Personen zusammenhing.

Während den Besuchen mit einer Aktivität war das Engagement der Bewohner*innen (berühren der eingebundenen Objekte oder sprechen über Aktivität) geringer, wenn ein Hund anwesend war. Die Dauer der Gespräche mit den anwesenden Personen nahm zudem mit zunehmender Beeinträchtigung ab. Dies zeigt, dass sich die Teilnehmer*innen – insbesondere Bewohner*innen mit schwerer Demenz – weniger auf die Aktivität konzentrieren konnten, wenn ein Hund Teil der Besuche war. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass sie ihre Aufmerksamkeit zwischen der Aktivität und dem Hund aufteilten müssen und die Kapazitäten nicht für beides ausreichen.

Die Reaktion der Bewohner*innen auf die Besuche hing auch davon ab, ob sie eine körperliche Beeinträchtigung hatten oder nicht. Erwartungsgemäss sprachen die Teilnehmer*innen ohne Sprachbehinderung häufiger über die Aktivitäten und den Hund. Eine Sehbehinderung führte zu einer höheren Prävalenz von Gesprächen über den Hund und zu einer erhöhten Wahrscheinlichkeit, die mit der Aktivität verbundenen Objekte mehr zu berühren. Eine verminderte Hörfähigkeit erhöhte die Wahrscheinlichkeit über die Aktivität zu sprechen. Die Häufigkeit von Körperkontakt mit dem Hund wurde durch keine der Behinderungen beeinträchtigt. Dies könnte darauf hinweisen, dass keine der Behinderungen die Berührung des Hundes einschränkt.

Ein optimaler Hundebesuch sollte für weniger kognitiv beeinträchtigte Bewohner*innen Aktivitäten beinhalten und damit die Möglichkeit bieten, auf unterschiedliche Weise mit dem Hund zu interagieren. Wohingegen für schwer beeinträchtigte Bewohner*innen das bloße Zusammensein mit dem Hund angemessener zu sein scheint.

 

 

 

Quelle

Thodberg, K., Videbech, P. B., Hansen, T. G., Pedersen, A. B., & Christensen, J. W. (2021). Dog visits in nursing homes–increase complexity or keep it simple? A randomised controlled study. PloS one, 16(5), e0251571. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0251571