Aktuelle Forschung in Kürze: Oktober

Meerschweinchen in der tiergestützten Therapie

Hintergrund
Meerschweinchen werden oft in tiergestützter Therapie eingesetzt. In Studien zu tiergestützter Therapie wird meist der Effekt der Therapie auf den Menschen untersucht. Wie sich aber die Interaktion auf die Therapietiere oder die Meerschweinchen in diesem Fall auswirkt wird seltener untersucht. Die Studie von Gut und Kollegen befasste sich in ihrer Studie mit dem Verhalten von Meerschweinchen in der Interaktion mit Menschen während einer Therapiesitzung. Ihr Fokus lag darauf, wie sich die Möglichkeit von Rückzug auf das Verhalten der Meerschweinchen auswirkt.

Methode
Am REHAB Basel wurde eine Gruppe von fünf Meerschweinchen während Therapiesitzungen entweder mit oder ohne Rückzugsmöglichkeiten beobachtet. Jedes der fünf Meerschweinchen wurde je vier Mal mit und vier Mal ohne Rückzugsmöglichkeit beobachtet. In der Therapie mit Rückzugsmöglichkeit befanden sich die Meerschweinchen in zweier oder dreier Gruppe in einem Tischgehege, in welchem sie selbständig entscheiden konnten, ob sie mit dem Menschen in Kontakt treten wollten.

In der Bedingung ohne Rückzugsmöglichkeit wurden sie einzeln dem Patienten auf einem Kissen auf den Schoss gegeben. Zudem wurden die Meerschweinchen als Kontrolle noch je zwei Mal ohne Interaktion mit Menschen beobachtet. Für diese Beobachtungen befanden sich die Meerschweinchen auch im Tischgehege. Während der Therapie wurde die Meerschweinchen gefilmt und verschiedene Verhaltensweisen wurden anhand des Videos nach einem konkreten Schema beobachtet und dokumentiert. Es wurde dokumentiert, ob die Meerschweinchen sich fortbewegten, ihre Umgebung erkundeten, sichtbar waren, Wohlbefinden bekundeten, erstarrten, positiv oder negativ mit dem Patienten oder den anderen Meerschweinchen interagierten, Laute von sich gaben oder sich unerwartet verhielten.

Resultate
Ohne Interaktion mit Menschen versteckten sich die Meerschweinchen im Vergleich zu der Therapie mit Rückzugsmöglichkeiten deutlich öfters. In ihrem Versteck blieben sie aber dann nicht länger. In der Therapie erschraken die Meerschweinchen signifikant öfters als ohne Interaktion. Das Erkundungsverhalten sowie die Bewegung waren erhöht, wogenen kein Unterschied bei der Dauer des Ruhens oder der Frequenz von negativem Sozialverhalten oder dem Bekunden von Behaglichkeit gefunden wurde. In der Bedingung ohne Rückzugsmöglichkeit wurden die Meerschweinchen signifikant länger gestreichelt. Die Meerschweinchen erstarten deutlich mehr in dieser Bedingung. Zudem verbrachten sie auf dem Schoss der Patienten mehr Zeit damit, Laute von sich zu geben und weniger Zeit damit, zu fressen, als in den anderen zwei Bedingungen. Ruhen und Bekunden von Wohlbehagen wurde nicht beobachtet, während sich die Meerschweinchen bei den Patienten auf dem Schoss befanden.

Diskussion
In früheren Studien zeigte sich, dass gestresste Meerschweinchen weniger soziales und erkundendes Verhalten zeigen, weniger Wohlbehagen bekunden oder fressen, vermehrt verharren und Laute von sich geben. Das gezeigte Verhalten der Meerschweinchen in dieser Studie in der Interaktion mit Patienten kann daher als stress-verbundenes Verhalten gesehen werden. Die Menge an gezeigtem Stress unterschied sich aber zwischen den beiden Bedingungen. In der Bedingung auf dem Schoss der Patienten wurden die Meerschweinchen neben der fehlenden Möglichkeit sich zu verstecken wahrscheinlich noch zusätzlich durch die neue Umgebung und die fehlenden Sozialpartner, also andere Meerschweinchen, gestresst. Die Interaktion mit Patienten, bei der die Meerschweinchen Rückzugsmöglichkeiten haben, kann dagegen zu einer Verhaltensanreicherung («behavioral enrichment») und damit zu einer Bereicherung für die Meerschweinchen führen.

Wie viel Stress für die Meerschweinchen noch anregend ist und wie viel schädlich, muss in weiteren Studien genauer erforscht werden. Aus der Studie leiten die Autoren ab, dass es für Meerschweinchen in der tiergestützten Therapie, aber auch in der privaten Haltung wichtig ist, dass sie die Möglichkeit haben sich nach Belieben zurückziehen und mit den Menschen freiwillig in Kontakt zu treten, um damit Stress auf ein Minimum zu reduzieren.

Quelle
Gut, W., Crump, L., Zinsstag, J., Hattendorf, J., & Hediger, K. (2018). The effect of human interaction on guinea pig behavior in animal-assisted therapy. Journal of Veterinary Behavior: Clinical Applications and Research, 25, 56–64. https://doi.org/10.1016/j.jveb.2018.02.004

Gut et al., 2018 (843.88 KB)